SOMEHOW WE CAN


Das Solistenensemble Kaleidoskop erkundet mit SOMEHOW WE CAN die Vielschichtigkeit und Ausdruckskraft des Streichquartetts. Kuratiert von Ethan Braun – Komponist und langjähriger künstlerischer Weggefährte des Ensembles – vereint das Projekt zwölf Komponist*innen und ebenso viele Interpret*innen, die gemeinsam die Flexibilität und Aktualität dieser traditionsreichen Gattung ausloten. Sie zeigen das Streichquartett als lebendiges, komplexes Beziehungsgeflecht – als kollektiven Ausdruck von Kunst, Identität und Gesellschaft.
Mit feinem Gespür für klangliche Vielfalt, kulturelle Kontexte und musikalische Eigenwilligkeit wurde ein Programm zusammengestellt, das das Streichquartett nicht nur inhaltlich, sondern auch formal neu denkt. Die Werke reichen von Dekonstruktion und Improvisation über intensive Klangforschung bis hin zu poetischer Intimität. Einige Stücke erleben hier ihre europäische Erstaufführung. Dabei werden auch Stimmen hörbar, die im Kanon der Neuen Musik häufig marginalisiert bleiben – etwa von BiPoC- und LGBTQ+-Komponist*innen. Gemeinsam schaffen sie ein musikalisches Geflecht, das Differenz nicht glättet, sondern produktiv hörbar macht – und das Publikum zu einer vielstimmigen, gemeinsamen Erfahrung einlädt.
Das erste Set beginnt mit Fluffy Pink! (2020) von Yuri Umemoto. Inspiriert von der allgegenwärtigen Präsenz von Tentakeln im Anime entfaltet sich ein maximalistischer Blick auf Otaku-Kultur: Die vier Streicher*innen werden zur krakenartigen Moe-Figur – verspielt, überzeichnet, vielarmig. Neutral Objects (2020) von yaz lancaster reflektiert die scheinbare Neutralität alltäglicher Dinge wie Milch, Masken oder Briefkästen, die in der Pandemie symbolisch aufgeladen wurden. In Boids (2018) von Misato Mochizuki formieren sich Tonleitern zu „Persönlichkeiten“, die sich in Schwärmen bewegen, bis das Cello sie unterbricht – und alles beginnt von vorn. Affines von Sarah Hennies verzichtet auf melodische Entwicklung und moduliert Unisoni durch rhythmische Verschiebungen und variierende Tempi – eine minimalistische Studie über Zeit und Wiederholung.
Der zweite Teil beginnt mit dem Streichquartett Nr. 17 von Wadada Leo Smith. Seine Musik ist keine klassische Improvisation, sondern „Kreation“: ein eigenständiger Ausdruck, getragen von spiritueller und künstlerischer Tiefe. Das Werk erkundet klangliche Texturen und formale Offenheit, mit Raum für individuelle Stimmen. Icon Studies II von Sarah Davachi erhebt mikrotonale Nuancen zu klanglichen Monumenten. Henry Threadgill, wie Smith Mitglied der AACM, bringt komplexe Rhythmen und Farben ein, die an Jazz erinnern – im Gewand des Streichquartetts. Four Sharp Corners von Kelley Sheehan ist ein Objekt, das berührt und manipuliert werden will – eine Dekonstruktion klassischer Konzertgesten. In Journey of the Horizontal People von Raven Chacon übernimmt eine weibliche Spielerin die Führung: „Sie wird die Führende sein, wenn alle anderen sich verloren haben.“ overlay von Ted Hearne kombiniert Elemente zweier Werke seines Lehrers David Lang zu einem filigranen perpetuum mobile, geführt von der Bratsche als „Sängerin“. Somehow We Can (1987) von Alvin Singleton erinnert formal an klassische Strukturen – energisch, lyrisch –, lässt Unterschiede jedoch nebeneinander bestehen. Den Schlusspunkt setzt leaving von Cassandra Miller: ein leiser, melancholischer Ausklang – ein emotionales Wegdriften aus der Dichte des Programms.
Programm
Yuri Umemoto – Fluffy Pink! (2020)
Yaz Lancaster – Neutral Objects (2020)
Misato Mochizuki – Boids (2018)
Sarah Hennies – Affines (2020)
Pause I
Henry Threadgill – Sixfivetwo (2018)
Sarah Davachi – Icon Studies II (2021)
Wadada Leo Smith – String Quartet Nr. 17 (2024)
Pause II
Raven Chacon – The Journey of the Horizontal People (2016)
Ted Hearne – Exposure III: Overlay (2019)
Alvin Singleton – Somehow We Can (2002)
Cassandra Miller – Leaving (2011)
Ein Projekt von Solistenensemble Kaleidoskop
Gefördert vom Musikfonds e.V. mit Projektmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und die inm – initiative neue musik berlin e.V. / field notes
Das Solistenensemble Kaleidoskop erhält eine institutionelle Förderung als freie Gruppen ohne eigene Spielstätte durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
In Kooperation mit dem Radialsystem.

